Das Schweigen der Männer 

@ڿڰۣ—ڿڰۣ ڿڰۣ——ڿڰۣ ڿڰۣ—ڿ ڿڰۣ—@
 

Teil 1: Fühlen und Sprechen erfordert Mut

Wilfried Wiek wurde in dem Jahr geboren als der Krieg begann. Deutschland litt unter diesen Jahren, aber kaum einer sprach darüber. Die tiefen Gefühle, der Schrecken, die Ängste und Traumata, die der Krieg ausgelöst haben muss, wurden weitestgehend unterdrückt und verschwiegen.

Er schrieb darüber in seinem 1990 erschienenen Buch „Männer lassen lieben“: „Wenn nur jemand dagewesen wäre, der mich gefragt hätte, warum ich traurig bin! Hilflose Menschen, die nicht fragten, verurteilten mich zum Schweigen“ (Wiek 1990, S. 138).

Da niemand mit ihm darüber sprach, was geschah und wie es ihm ging, wurde es sein „geheimer Lebensplan, das wirkliche Sprechen über mich und meine komplizierten Gefühle aufzugeben. Dafür redete ich. Dabei hörten sie mir manchmal zu“ (Wiek 1990, S. 139).

Als ich begann, sein Buch zu lesen, konnte ich nicht mehr aufhören damit. Ein Mann, der sprach, wirklich sprach – von sich, den Männern, ihrer Sicht auf die Frau und - ihrem Schweigen – auf eine unglaublich ehrliche, selbstkritische, direkte, ja, schonungslose Art und Weise, die mir den Atem raubte und mich tief berührte.

Warum?

Weil es unter der Flut von Informationen, Büchern, Nachrichten, Ansprachen, Videos überall, auch in facebook, wenig gibt, bei dem ich das Gefühl habe, es berührt und interessiert mich wirklich, es spricht zu meinem Herzen, geht in Resonanz mit Dem, was ich selbst spüre, erlebe und erlebt habe, das mir etwas sagt, mir wirklich etwas bedeutet, mich weiter, ja, mit mir selbst in Verbindung bringt.

Kurz: Die meisten Menschen sprechen, wenn ich schweigen würde, ja, sie faseln, als hätten sie Angst, da, im Kontakt, in Verbindung, auch einfach mal still, Nichts und Niemand zu sein, dem Moment zu lauschen, zu spüren, was wirklich ist, in Verbindung zu sein, mit sich selbst und allem um sie herum.

Und sie schweigen, ja, mauern, wenn es von meinem Gefühl her anstünde zu sprechen – von ihren Gefühlen, ihrer Angst, Unsicherheit, ihren unerfüllten Erwartungen. Sie ignorieren Konflikte, das eigene Unbehagen und das ihrer scheinbar Liebsten. Sie leiden lieber, lassen zu, dass Dinge geschehen, die nicht geschehen sollten, ja, sie tragen selbst dazu bei.

Aber vor allem aber freue ich mich, wenn ein Mann von etwas spricht, was ich als so wesentlich empfinde, denn auch ich kenne, wie Wiek es nennt, das "Schweigen der Männer".

Aber was genau meint er damit?

Nun, ein wirklich wesentliches Gespräch, so sehe ich es, umfasst das Sprechen über das, was uns gerade wirklich bewegt, was uns berührt, wichtig ist, das heißt Gespräche über die Liebe, Gefühle, Schmerzen, Ängste, Wünsche, Sehnsüchte, widersprüchliche Erwartungen, Traumata, Konflikte, Frustration, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Beziehungsprobleme. Dadurch, dass wir darüber unverblümt sprechen, werden sie für uns selbst und auch das Gegenüber sicht-, fühl- und nachvollziehbar. Sie werden real. Wir zeigen uns damit, teilen uns mit, machen uns verletzlich, schaffen damit Vertrautheit, Nähe, echte, nicht nur scheinbare Intimität.

Ja, wir schaffen Vertrauen und den Raum für andere, sich ebenfalls verletzlich, ehrlich so zu zeigen, wie sie sich fühlen, wie sie wirklich sind, nicht so wie sie glauben, dass sie sein sollten. Das ist gelebte Liebe, wirkliches Sich-auf-sich-und-andere-Beziehen - nicht nur so tun als ob - kurz: echtes Sein, nicht nur Schein!

Leider ist das keineswegs üblich, sondern gewöhnlich auf einige wenige Momente im Leben, auf einzelne echte Freundschaften oder therapeutische Räume beschränkt und selbst da nicht immer üblich oder erwünscht. Denn wenn du glaubst, dass in scheinbaren Liebesbeziehungen miteinander über Wesentliches gesprochen wird, irrst du.

Das entspricht nicht meiner Erfahrung. Mann und Frau sprechen gewöhnlich über alles, nicht aber über die Dinge, die sie wirklich berühren, ihnen wirklich etwas bedeuten.

Aber warum?

Nun, Gespräche über Wesentliches erfordern Selbstliebe, Kraft, Präsenz, Ernsthaftigkeit, Durchhaltevermögen, die Fähigkeit zuzuhören und auch dazubleiben und zuzuhören, auch wenn es weh tut, anstrengend oder beängstigend wird. Es braucht die Fähigkeit, mitten im Feuer der dabei erscheinenden Gefühle stehenzubleiben und zu verbrennen – bis nichts mehr übrigbleibt – nichts als Liebe, Schönheit und Lebendigkeit, Das, was du wirklich bist, kurz: es braucht die Bereitschaft, wirklich intim zu sein, mit Dem, was ist, so wie es ist - total in Liebe, verbunden zu sein.

Und es braucht den Mut sich seinen Themen zu stellen, anstatt zu verdrängen und damit echtes Interesse an dir selbst und dem Gegenüber, daran, was wirklich stattfindet, an der Wahrheit.

Das können und tun nur sehr wenige mutige, kraftvolle und präsente Menschen, Menschen, die sich und ihre Mitmenschen lieben und für voll nehmen, die mit sich auf Augenhöhe sind, die wissen, was wirklich wichtig ist, und die deshalb bereit und in der Lage sind, hart am Wind zu segeln und nicht zu weichen.

Denn „Sprechen ist ein mühevoller, anstrengender, manchmal qualvoller Vorgang, nichts für Ungeduldige und Besetzte. Jedes ernsthafte Gespräch zöge außerdem dringlich weitere nach sich“ (Wiek 1990, S. 141).

In einer Welt, die vor allem verdrängt, von der Wirklichkeit ablenkt, oberflächliche, schnelle Lösungen sucht, um eben gerade nicht mit ihren Ängsten, Schuld- und Schamgefühlen, ihrer Hilflosigkeit konfrontiert zu werden, kurz, die lieber wie eine Maschine funktionieren möchte und deshalb das Fühlen, Hinsehen, wirklich da sein um jeden Preis vermeidet, braucht es Mut, Standhaftigkeit und Lebenskraft, etwas anzusprechen, das nahezu jeder bekämpft, ja, wo Sprechen über Wesentliches abgestraft wird!

Das kann nur ein Mensch, der wirklich in Liebe, zutiefst verbindlich ist, der ein echtes Interesse daran hat, dass es ihm selbst und allen Beteiligten gut geht, der kraftvoll und großzügig Verantwortung für sein eigenes Wohl und das der Menschen um sich herum übernimmt, kurz: der eine Beziehung nicht nur dazu benützt, sich auf- und andere abzuwerten, versorgt zu werden, sich geliebt oder nicht ungeliebt zu fühlen, über die Runden zu kommen, nicht gestört zu werden, nicht alleine zu sein, Gefühle von Mangel, Unsicherheit oder Angst zu vermeiden respektive zu kompensieren, sondern vor allem, um sich und das Gegenüber immer tiefer kennen, lieben und verstehen zu lernen, sich weiter zu entwickeln, Probleme zu sehen, ihre Ursachen nachhaltig zu begreifen und zu beseitigen anstatt vor ihnen davonzurennen, sie und damit sich (!) zu ignorieren oder nur oberflächlich zu lösen.

Kurz: Nur kraftvolle, großzügige, wache und lebendige Menschen sind in der Lage, so zuzuhören, zu sprechen, Probleme überhaupt anzusprechen und nachhaltig zu lösen. Und davon gibt es, aus meiner Erfahrung, bisher nur sehr wenige – mit katastrophalen Folgen für alle Menschen, die nationale wie internationale Politik und die Umwelt!

Wenn also Paare auf der Suche nach Hilfe zu mir kommen, tun sie das oft, wenn es fast schon zu spät ist. Und wenn sie mir dann von sich erzählen, zeigt sich mir fast immer ein bestimmtes Muster: Frauen reißen sich ein Bein aus, um Beziehung zu schaffen, sie zu vertiefen und um Nähe herzustellen, Beziehungskonflikte und -probleme zu lösen. Sie klagen darüber, dass ihre Partner nicht wirklich anwesend sind, dass sie den emotionalen Kontakt schon jahrelang vermissen, sich zurücknehmen, qualvoll ausharren in der vergeblichen Hoffnung, dass sich mal etwas ändert. Und dass ihre männlichen Partner, umso mehr sie versuchen, das Problem aktiv anzugehen, den Kontakt wiederherzustellen und mit ihnen in Verbindung zu gehen, auf Distanz gehen. Diese mauern, ignorieren, verharmlosen, vermeiden, werten sie und ihre Bemühungen ab – bis sie irgendwann aufgibt, resigniert oder geht.

Meine Erfahrung als Frau, Mensch wie Therapeutin zeigt mir: Männer reagieren oft erst, wenn sie schon weg ist und sind dann total erstaunt, ja, verständnislos!

Erich Fried schreibt über diese Flucht der Männer vor Nähe und ihre Unfähigkeit zu lieben in einem Gedicht: „Wenn ich bei dir bin ist vieles voller Abschied und wenn ich ohne dich bin voller Nähe und Wärme zu dir“ (Liebesgedichte, S. 81).

Ist das nicht paradox?

Wobei hier ein Mann ist, der es bemerkt und anspricht!


Teil 2: Männer lassen lieben

Warum aber schweigen, ja, mauern Männer, wenn ihre Anwesenheit, ihr Ohr und Verständnis doch so sehr von den Frauen an ihrer Seite und ihren Kindern gesucht und gebraucht werden? Warum werten sie die Partnerin stattdessen ab? Und warum machen Frauen das mit?


Nun, zum einen fehlt ihnen das Vorbild eines Vaters, der der Mutter ein liebevoller, aufmerksamer Gesprächspartner und vor allem anwesender, unterstützender Mann war.

Und: er hat die Erfahrung gemacht, dass die Mutter immer zur Verfügung stand und ihn versorgte. Er brauchte sich dafür nicht anzustrengen oder Eigeninitiative zu entwickeln: Und so tut er es jetzt auch in der Beziehung zur Partnerin nicht.

Man könnte tatsächlich sagen: Er nimmt sie für selbstverständlich. Ein fataler Fehler!

Und: Wir erleben unser Gegenüber in einer Beziehung sehr intensiv, erfahren viel über es und haben Angst, dass wenn wir ihm mitteilen, was wir wahrnehmen, dass wir es verletzen.

Kurz: Wir fürchten die Konsequenzen und kreieren damit Tabus. Aber das ist gefährlich.

Denn Tabus töten jede Lebendigkeit. Eine Beziehung, in der Tabus herrschen, erlahmt und stirbt – früher oder später, abgesehen von dem Schmerz, der Hilf- und Kraftlosigkeit, die dadurch immer und immer wieder in den Menschen re-inszeniert werden.

Das ist auch physisch nicht gesund, denn es erzeugt enormen physiologischen Stress, der früher oder später zu chronischen Krankheiten führt.

Und all das, um etwas Wunderschönes, das, nach dem sich alle Menschen sehnen, von dem all die Liebeslieder über Jahrhunderte singen, die Religionen und alle möglichen spirituellen Ausrichtungen endlose Bücher (u. a. die Bibel!) geschrieben haben, nicht in die Tat umzusetzen?

Heißt das, alle wollen es, aber nur sehr wenige Menschen tun, was zu tun, und unterlassen, was zu unterlassen ist, um es zu verwirklichen? Ist das nicht erstaunlich? Man könnte auch sagen: Menschen, die nicht wirklich miteinander sprechen, leben und lieben nicht, sie überleben.

Sie nehmen weder sich, das Gegenüber noch die Beziehung ernst. Denn es fehlt nicht an Wissen, sondern an Liebe, Geduld und Interesse – an dir selbst und deinem Gegenüber, an dem, was dich daran hindert, zu sprechen, dich zu fühlen, auszudrücken, wirklich da, lebendig, im Moment, in deiner Kraft zu sein.

Und irgendwann wagt dann auch die Frau nicht mehr, ein Gespräch anzuregen. Sie schweigt, resigniert, zieht sich innerlich zurück, funktioniert nur noch, passt sich an – aus Angst verlassen zu werden, ihre Illusionen über die Liebe zu verlieren, alleine zu bleiben oder weil sie es nicht anders kennt.

Sie spricht dann stattdessen mit den Kindern, die damit natürlich überfordert sind, oder, wenn überhaupt möglich, mit ihren ebenso ratlosen Freundinnen oder ihrer Therapeutin, weil der Mann scheinbar Wichtigeres zu tun hat!

Und Das nennen wir dann Liebe oder eine Liebesbeziehung – womöglich noch auf Augenhöhe?

Nicht so Wiek. Er spricht vom „Schweigen der Männer“ und führt fünf Besonderheiten des männlichen Schweigens detaillierter aus:

* Die Gefühlsverweigerung,
* die Entwertung der Frau,
* das bloße Reden,
* das Nicht-Fragen und
* das Nicht-Zuhören (Wiek 1990, S. 145ff).

Ich führe sie hier nur kurz und vorwiegend mit seinen Worten aus, weil es sich besser anfühlt, an dieser Stelle einen Mann sprechen zu lassen. Fühlt Euch gerne eingeladen, sein Buch selbst zu lesen:

1. Die Gefühlsverweigerung

Es ist nicht unbekannt, dass Männer nicht gerne Gefühl zeigen: „“Wenn ich eine echte Empfindung habe, ein Gefühl, das ich für artikulierbar halte, bin ich absolut unfähig, es auszudrücken, entweder ich stammle, oder ich sage genau das Gegenteil von dem, was ich sagen wollte – oder ich drücke dieses Gefühl mit geschwollenen Sätzen aus, die nichts besagen -, oder aber, und das ist das häufigste, ich äußere gar nichts, ich fliehe vor jeder Äußerung: das ist das Klügste!“ (J. P. Sartre, Briefe, S. 10)

Sie zeigen stattdessen eher ihre Aggressionen aus Angst vor ihrer Angst oder ihrer Unsicherheit, die sie zu kontrollieren suchen. Wiek nennt diese Art starker Gefühle „Affekte“ und meint, Männer zeigen wenig Gefühl, stattdessen Affekte.

Das Problem dabei: „Die Sprache der Männer geht auf Kosten der Kräfte der Frau, denn Affekte richten Schaden an.“ (Wiek 1990, S, 147) Sie machen der Frau Angst und geben dem Mann ein Gefühl von Überlegenheit. Abgesehen davon, dass sie sich ständig bemüht, für eine liebevolle, harmonische Stimmung zu erzeugen, kurz: die Beziehung zu pflegen - eine Mühe, die ein Mann oft mit einem Schlag, vollkommen gedankenlos vernichtet, wodurch sie sich genötigt fühlt, wieder von vorne anzufangen.

Heißt das, man könnte sagen, Männern geht es vorwiegend um Macht, Besitz und Kontrolle, nicht um Liebe?

2. Entwertung der Frau

Der Mann verniedlicht die Frau als „Puppe, Kind, Baby, Kleines oder Fräulein“, beschimpft sie als Emanze, reduziert sie auf Körperteile oder denkt bei dem Wort „Frau“ einfach nur an Sex.

Er schätzt es nicht, wenn eine Frau seine Vorgesetzte ist und lässt sich auch als Partner nicht gerne von ihr beeinflussen oder führen. Man könnte auch sagen, er nutzt eine wesentliche Ressource sehr einseitig oder gar nicht: ihre intuitive Intelligenz und tiefe Weisheit, die er zwar hin und wieder in Anspruch nimmt, aber dann so tut, als sei sie nichts wert oder sein Verdienst.

Und auch die meisten typisch weiblichen Tätigkeiten werden unter selbst aufgeklärten Männern noch immer offen oder heimlich als minderwertig betrachtet. Deshalb ist die Beteiligung an der Hausarbeit unter ihnen weiterhin ebenso unbeliebt wie die Kindererziehung.

Aber warum tun sie das, Herr Wiek?

„Männer versteigen sich zu diesen Entwertungen, weil sie nicht die Absicht haben, aufrichtig und respektvoll mit einer Frau zu sprechen“. (Wiek 1990, S. 148).

Heißt das, sie belügen sie (sich) und haben keinen Respekt vor der Frau?

3. Bloßes Reden

Bloßes Reden vermeidet das Sprechen über das, was der Redner gerade wirklich fühlt, denkt und möchte. Er zeigt sich nicht, vielmehr versteckt er sich hinter den Worten, ja, verwendet sie zur Abwehr von Intimität, Verbindlichkeit wie Echtheit und um sich zur Geltung zu bringen.

Sie sind dadurch nicht fühlbar, wecken keine Anteilnahme, kein lebendiges, echtes, menschliches Interesse, bringen vielmehr die Aufmerksamkeit in den Kopf, weit weg vom hier und jetzt, weg von Lebendigkeit, dem Leben selbst, so wie es sich gerade wirklich zeigt.

In Wieks Worten: „Männer sprechen nie von sich persönlich, immer von Leistungen, Erfolgen, Siegen, Projekten, Aktionen, Initiativen. Von anderen Männern und ihren Fehlern sprechen sie auch, nie hingegen von ihren eigenen Zweifeln, Nöten, offenen Fragen oder Schwachstellen. Sie wissen alles, haben alles schon durchdacht. (..) Sie sprechen auf komplizierte, unverständliche Art, schnell, laut und kämpferisch. Manchmal auch leise und kämpferisch. Sie ignorieren sich gegenseitig oder grenzen sich voneinander ab, dynamisch, allwissend und gelangweilt. Auf ein Interesse an den Zuhörern warten wir vergeblich, Betroffenheit wird strikt abgewehrt“ (Wiek 1990, S. 151).

Er hebt dabei die eigentlichen Motive männlichen Redens hervor: Reden, um zu reagieren, zu entgegnen, sich zu verteidigen, etwas geradezurücken, richtigzustellen, oder: um Angst zu machen und zu stören! Reden als Präventivschlag gewissermaßen - nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung!“

Wie ein kleines, forderndes oder ein sich bedroht fühlendes Kind?

4. Keine Fragen stellen

Tatsächlich stelle ich fest, dass Frauen mir gerne Fragen stellen, wenn sie in Therapie kommen. Sie wollen verstehen, was geschieht und vor allem fragen sie sich, was sie selbst zu der Misere beigetragen haben. Männer hingegen wollen meistens wissen, wie sie ihre Frau wieder dazu kriegen

* zu funktionieren und für sie dazu sein, damit sie zum scheinbar Wesentlichen (Arbeit, Hobbies, Meditation) zurückkehren können oder dazu,

* wieder zurückzukommen, weil sie sich ohne sie alleine, unsicher, instabil, kraft- und hilflos fühlen.

Kurz: Sie zeigen selten echtes Interesse daran, was Frau bewegt, warum sie gegangen ist, ja, sie ignorieren oder vergessen schlicht, was sie ihnen in all den Jahren verzweifelt mitzuteilen versuchte.

Was aber hindert Mann daran, Fragen zu stellen, zu erforschen, was Frau denkt, fühlt und möchte?

Wiek antwortet darauf: „Würde der Mann fragen, dann würde ihn die Frau konfrontieren, ihn zur Auseinandersetzung mit sich selbst auffordern. Er fürchtet die Kritik, aber auch die Aufforderung, aufmerksamer mit sich selbst umzugehen (…) Der Mann will nicht wieder am Anfang stehen, darum diskriminiert er das sprechende Geschlecht. „Weibergeschwätz“ sagt er, „Klatsch und Tratsch“. Wer mit ihm sprechen will, ist ihm unbequem. Nur mutige und intelligente Menschen stellen Fragen. Ängstliche, die ihre Angst leugnen, fragen nicht, und ihre Hemmungen machen sie noch dümmer (..) Der Mann fragt nicht, weil er nicht belastbar und nicht konfliktfähig ist“ (Wiek 1990, S. 154).

Klare Worte, oder?

5. Nicht-Zuhören

Und warum hören Männer nicht gerne zu, Herr Wiek?

„Frauen, die darauf bestehen, dass man ihnen zuhört, haben sehr wenige männliche Gesprächspartner. Keine Frau, die auf Aufmerksamkeit dringt, kann auf die kontinuierliche Beziehung zum Mann bauen. Zum Zuhören aufgeforderte Männer pflegen sich zurückzuziehen, bis sie vergessen haben, was die Frau wollte. Bis sie sich nur noch an ihre Schönheit und erotische Attraktivität erinnern. Dann kommen sie wieder“ (Wiek 1990, S. 158).

Kurz: Sie reden gerne, hören sich auch gerne selbst zu, aber nicht den Frauen?

Das alles ist jetzt ein wenig einseitig oder übertrieben, oder? Und die Worte von Herrn Wiek sind ja nun auch 30 Jahre alt, also kaum noch aktuell, oder?

Ja und Nein.

Natürlich gibt es Männer, die an den Bedürfnissen und Gefühlen ihrer Freundin/Frau interessiert sind und die erste Gehversuche im Miteinander-Sprechen und Sich gegenseitig unterstützen und auf Augenhöhe begegnen unternehmen. Aber sie sind noch immer echte Raritäten, ebenso wie Väter, die Erziehungsurlaub nehmen.

Und es gibt auch Frauen, die sich gemäß dem hier als männlich beschriebenen Muster verhalten. Und es gibt Männer, die unter ihren narzisstischen Frauen leiden und nicht umgekehrt.

Dennoch ist das alles leider sehr aktuell. Es gilt noch immer als Schwäche, ein Mann zu sein, der Gefühle zeigt, geschweige denn die Unsicherheit des Fragens, Erforschens und damit des Nichtwissens zulässt – und das nicht vor allem um Frau zu manipulieren, kurz: wieder verfügbar zu machen, sondern einfach, weil er sich selbst und sie spüren, kennenlernen, sich zeigen, zu sich und dem, wie er wirklich ist, stehen, lebendig und: für sie da sein möchte.

Kurz: Es gibt noch immer sehr wenig Männer, die sich (ebenso wie die Frauen) wirklich mit allem, was sie ausmacht und was sie von ganzem Herzen wollen und brauchen, ernst nehmen kurz: die erwachsen sind, sein oder werden wollen und, vor allem, die interessiert sind daran, ihre enormen Energien dem Wesentlichsten zu widmen: der Liebe.

Sie lassen lieber lieben.

Teil 3: Sind Frauen liebesfähiger als Männer?

Aber warum ist das so? Warum wollen Frauen sprechen und lieben, bemühen sich so und Männer nicht? Sind Frauen von Natur aus liebesfähiger als Männer?

Nun, der Grund hierfür liegt vermutlich darin, dass Frauen die Kinder gebären und ihnen dadurch auch die Aufgabe zugewiesen wurde, sie zu füttern, zu pflegen und aufzuziehen.

Denn Frauen, die ein Kind im Arm halten, können nicht jagen. Und sie sind in der Zeit der Schwangerschaft und danach sehr verletzlich. So ging der Mann jagen und verteidigte den Stamm vor Feinden. Die Frau sorgte inzwischen für die Kinder, ebenso wie für Harmonie in der Familie und für Frieden im Stamm. Und auch die Zubereitung der Nahrung und die Gemütlichkeit des Umfelds machte sie sich zu eigen.

So entstand schon sehr früh in der Menschheitsgeschichte eine Art geschlechtlicher Arbeitsteilung. Man könnte auch sagen, die Aufgabe Mutter zu sein machte sie mit den Jahrtausenden zu „Spezialistinnen für bestimmte menschliche Fähigkeiten“ (Hülsemann 1991, S. 127).

Und trotz enormer technischer Errungenschaften, die uns ermöglichen würden, das auch anders handzuhaben, hat sich daran bisher nicht viel geändert. Da stellt sich doch mit Fug und Recht die Frage, warum wir so hartnäckig an diesen ursprünglichen, inzwischen doch sehr verkrusteten Geschlechterrollen festhalten, obwohl sie zu so vielen Beziehungsproblemen führen?

Die Antwort ist vermutlich sehr simpel: Wir haben Angst vor Veränderung, davor umzulernen, uns auf Neues einzulassen, von vorne anzufangen, Angst davor, was dabei herauskommen könnte, wenn wir uns aus unserer Komfortzone wegbewegen. Jahrtausendelang praktizierte Lebensgewohnheiten geben uns Menschen ein Gefühl von Sicherheit und den Männern auch die Möglichkeit zur Ausübung von Macht und Kontrolle durch Eigentumsrechte (auch an der Frau und seinen Kindern!), Überlegenheitsgefühle und eine Art Vorrangstellung, die er nicht so gerne aufgeben mag (siehe hierzu auch den Text zum Thema „Das zivilisatorische Trauma“ in meinem e-Book „Das innere Kind und die Stille“).

Ein weiterer Grund ist sicher der, dass Politik und Wirtschaft, Männer, die (sich) und ihre Lieben wirklich lieben, nicht gebrauchen können, zum einen, weil ein Mann, der sich fühlt und zu seinen Gefühlen steht, nicht in den Krieg geschickt noch wirtschaftlich oder politisch manipuliert, gelenkt und benutzt werden kann. Sein Hauptinteresse gilt der Liebe, nicht dem Konsum, noch dem Wirtschaftswachstum oder der Macht. Es ist also auch im Interesse bestimmter Kreise, dass wahre Liebe nicht hoffähig wird, wohingegen die Sehnsucht danach wirtschaftlich von großem Nutzen ist.

Diese Arbeitsteilung nach Geschlechtern hat allerdings enorme Folgen für die Kinder und damit für alle späteren Erwachsenen. Denn durch diese Konstellation ist die Frau für Kinder beiden Geschlechts die erste und häufig auch einzige anwesende Liebespartnerin - eine Erfahrung, die von Tochter und Sohn sehr unterschiedlich verarbeitet wird:

Ein Mädchen empfindet eine Art Gleichklang mit der Mutter, mit der sie sich identifiziert. Sie ist ihr weibliches Vorbild. Dieser Gleichklang führt zu einer sehr tiefen Bindung, ja, Verschmelzung, die der Tochter das Gefühl gibt: „So soll es sein. So fühlt sich Zuhause, ja, Frausein an. So bin ich richtig.“ – ein Gefühl, das sie unbewusst später immer wieder sucht.

Da die Liebe einer Mutter-Frau gewöhnlich sehr hingebungsvoll ist und sie dies häufig auch von der Tochter als zukünftige Frau einfordert (!) - wohingegen sie den Sohn verwöhnt, da er sie energetisch ergänzt und das vom Mann auch so erwartet wird - prägt diese erste Liebe ihr Selbstbild als Frau ebenso wie ihre Sicht auf das, was Liebe ist, wie sie sich anfühlt, wie sie sein und worauf sie sich richten soll.

Ich weiß noch, wie ich als junges Mädchen ernsthaft dachte, dass mich ein Mann die Liebe lehren wird.

Der Sohn hingegen erlebt die Mutter als Gegenpol und Ergänzung, und muss sich früher oder später von ihr lösen, um seine eigene, männliche Identität zu finden, weiß aber, dass er jederzeit wieder zu ihr zurückkehren kann, um sich geborgen und versorgt zu fühlen.

Man könnte auch sagen: Er kann sich auf die Liebesfähigkeit und Fürsorge der Mutter und seiner späteren Partnerinnen verlassen. Geborgenheit und Liebe ist ihm – im Zusammenhang mit der Frau - gewissermaßen selbstverständlich. Er muss dafür nichts tun. Er bekommt sie einfach geschenkt.

Dadurch ist er von Natur aus in einer Beziehung entspannter als die Frau, die sich als Tochter von der Mutter lösen musste, um zum Mann zu kommen und die den Vater und damit das Geschlecht, mit dem sie später in Verbindung tritt, als vorwiegend abwesend erlebt, als jemand, der kommt und geht und auf den kein Verlass ist.

Sie hat daher nicht dieses selbstverständliche Vertrauen, dass der Geliebte sicher und verlässlich für sie da ist. Im Gegenteil: Er ist für sie ein Fremder und damit sowohl (mit Recht!) Quelle von Angst und Unsicherheit ebenso wie von Hoffnung auf Nähe und männlich-ergänzender Zuwendung, die sie, wenn sie nicht kommt, häufig auf den Sohn richtet.

„Die Mädchen müssen also lernen, auf ihre erste erotische Neigung zu verzichten (..) und sie von der Mutter auf den Mann-Vater zu übertragen. Das ist ein verlustreiches, schmerzliches und schwieriges Geschehen, das möglicherweise im Laufe der Entwicklung stark verdrängt wird“ (Hülsemann 1991, S. 129), aber dennoch seine traumatische Wirkung entfaltet.

Auch erleben die Kinder beider Geschlechts die Mutter als etwas immer zur Verfügung Stehendes, Selbstverständliches, wohingegen der Vater oft nicht da ist und damit größeres Interesse und Sehnsucht auslöst. Für ihn scheint es Wichtigeres zu geben als die Frau und die Kinder: die Jagd, die Arbeit, das Vergnügen - ein Eindruck, der auch außerhalb der Familie bestätigt wird und ihr Geschlechterbewusstsein prägt.

Da das Mädchen sich im Aufwachsen bei der Mutter als Teil von ihr, eng mit ihr verbunden erfährt, sucht die Frau diese enge Verbindung später auch in ihren Beziehungen. Mit Frauen ist das gewöhnlich einfach für sie - da sie mit Frauen ohne große Mühe, die ursprüngliche Verschmelzung erleben können - mit Männern allerdings nicht, eine Erfahrung, die sie meistens als viel schmerzhafter und leidvoller erlebt als der Mann, der sich als Sohn selbst und aus eigener Kraft von der Mutter gelöst, oft sogar weggerissen hat, um eine männliche Identität auszubilden und der sich schlicht auf die Liebe der Frau verlässt.

Frauen erleben deshalb den Entzug von Nähe als enorm schmerzhaft, wegstoßend und „falsch“, für Männer hingegen ist es natürlicher, sich der Frau zu entziehen, um sich der Welt und ihrer Selbstverwirklichung zuzuwenden – eine Möglichkeit, die die Frau sich erst gestatten und erschließen muss. Denn sie ist zudem über viele Jahrtausende hinweg zum Gehorsam erzogen worden, der Mann hingegen zur Herrschaft.

Die Frau sucht die Nähe des Mannes auch, um den leidvoll-traumatischen Entzug vom fernen Vater auszugleichen. Sie hat durch ihn gelernt, den Erhalt dieser Zuwendung auf später zu verschieben, kennt es also, dass sie nicht sofort bekommt, was sie so sehr sucht und auch braucht, um sich für die spätere Begegnung mit dem Mann vorzubereiten. Sie hat enormen Nachholbedarf und verfügt zugleich, durch ihre traumatischen Erfahrungen mit dem abwesenden Vater und den Forderungen ihrer Mutter an sie über eine extrem (ja, zu?) hohe Frustrationstoleranz und Leidensfähigkeit in Sachen Liebe.

Ebenso hat sie dadurch gelernt, dass seine Zuwendung nicht selbstverständlich ist und dass sie sehr viel tun muss, um ihn zu erreichen. „Um ihm zu gefallen, nimmt sie Fremdbestimmungen aller Art in Kauf und ist ständig bestrebt, ihren Zustand der Weiblichkeit zu verbessern und zu verschönern“ (Hülsemann, S. 131), wohingegen Männer selbstverständlich annehmen, dass sie vollkommen, ja, gottgleich sind – ein Podest, das viele Männer auch nur ungerne oder gar nicht verlassen.

Auch werden Mädchen häufig nicht so lange von der Mutter genährt und berührt wie männliche Kinder, was einerseits Mangelgefühle und -überzeugungen kreiert, andererseits ein früheres (zu frühes?) Erwachsenwerden induziert.

Übrigens ist das auch der Grund, warum Mädchen früher und schneller sprechen lernen und auch mehr auf Sprache zurückgreifen. Sie schreien mehr und länger nach der Mutter, erwerben dadurch den Eindruck, sie müssen viel tun, um Liebe und Zuwendung zu erhalten, wohingegen Söhne in gewisser Weise „verwöhnt“ werden und sich an diese Verwöhnung gewöhnen, dadurch aber auch abhängiger sind – ein Faktum, das sie gerne verstecken.

Kurz: Frauen wurden im Laufe der Jahrtausende darin geschult, Fachfrauen für Kommunikation, Beziehung und Liebe zu sein, während der Mann seine Fähigkeiten bei der Jagd optimierte. Frauen wurden schon früh darauf geeicht, den Mann-Vater sehnsüchtig zu suchen, ihn nach dem Modell der Mutter zu verwöhnen und neigen dazu, sich in ihrer Fürsorge für und Hingabe an den abwesenden Mann zu verlieren – auf der Suche nach der ursprünglichen Symbiose mit der Mutter und der Zuwendung des Vaters.

Der Mann hingegen geht selbstherrlich davon aus, dass Frau ihn zu lieben und zu versorgen hat, dass Mann eh nicht für Frau da zu sein braucht und kommt selten oder nie auf die Idee, dass Frau nicht seine Mutter sondern ein eigenständiges Wesen mit eigenen Bedürfnissen ist, das gar nichts muss
😊.

Man könnte auch sagen, dass viele Mütter ihre Töchter zu Liebesdienerinnen und ihre Söhne zu Tyrannen erziehen.

Diese Grundkonstellation ist im Grunde verantwortlich für unzählige Probleme in der Begegnung von Mann und Frau, in der Erziehung der Kinder, ebenso wie in der Beziehung der Söhne zu ihren Vätern, der Beziehungen unter Männern, und: damit in der ganzen Welt.

Man könnte auch sagen: Frauen wurden und werden dazu erzogen, zu lieben und Männer lassen lieben, wodurch Gegenseitigkeit und Augenhöhe von vorneherein Illusion sind – insofern nicht beide etwas daran ändern.

Denn sie gehen in eine Beziehung mit der Illusion, der Mann könne, genau wie sie, lieben und werden dann jedes Mal schwer enttäuscht, ein Prozess, der wiederum sehr schmerzhaft ist, aber auch die früh erzeugten Illusionen zerstört. Der Mann geht in eine Beziehung und wundert sich, dass Frau ein Lebewesen mit Bedürfnissen ist, kurz: überhaupt etwas braucht und/oder will.

In anderen Worten: Der Mann geht „gottähnlich“ davon aus, dass er bei Frau jederzeit wieder Kind sein kann, dass die Frau ihm dient, ja, dass sie sein Eigentum ist. Und Frau gibt immer mehr Liebe in dem Glauben, er gäbe diese natürlich irgendwann zurück.

Solange die Frau an dieser Stelle nicht merkt, was läuft, sitzt sie in der Falle. Denn sie kann nie genug lieben, das heißt sie bleibt die „ewige Mama“, solange der Mann nicht auch lernt, Verantwortung für sein Bedürfnis nach weiblicher Gegenwart und Zuwendung zu übernehmen, und bereit ist, ebenfalls lieben zu lernen – anstatt ihren Wunsch nach Symbiose auszunützen, um sie zu benutzen, zu manipulieren und auszubeuten.

Sich einzugestehen, dass der Mann, dessen Gegenwart und Liebe sie so sehr ersehnt, nicht liebesfähig ist, ist zu erschreckend, angsteinflößend und desillusionierend für die meisten Frauen.

So täuschen sie sich eifrig durch alle möglichen Beschönigungen, Unternehmungen, Gesprächs- und Lösungsversuche darüber hinweg, dass er nicht da ist - in der ewigen Hoffnung, dass er sich ihnen plötzlich wieder, wie in der Verliebtheitsphase, zuwendet und sie endlich wiedergeliebt werden.

Man könnte auch sagen: Sie bleibt in ihrem Helfer- und Rettersyndrom hängen. Das ist im Grunde ihre Art, indirekt wie passiv-aggressiv Macht auszuüben (direkte Aggression wurde ihnen tunlichst abgewöhnt!) – indem sie den Mann durch ihre Zuwendung abhängig zu machen versucht.

Das schützt sie sehr effektiv davor, die Wirklichkeit so zu sehen wie sie ist: Er ist in Punkto (Selbst)Liebe, Kommunikation und (Selbst)Fürsorge ein Analphabet und - aus der Sicht der Frau - ein echtes Verlustgeschäft.

Und sie vermeiden damit auch, auf sich selbst zurückgeworfen zu werden, das heißt zu erkennen, dass sie auf sich alleine gestellt sind und die Verantwortung für die Erfüllung ihrer Bedürfnisse bei ihnen liegt.

Das heißt auch, dass es ihre Aufgabe ist, insofern sie wirklich mit ihm sein möchte, klar mitzuteilen, was sie von ihm braucht und sich ihm schonungslos zu entziehen, wenn er nicht über kurz oder lang bereit ist, ebenfalls „wie selbstverständlich“ die Verantwortung für seine Bedürfnisse in der Partnerschaft, für seine (Un)Taten und Kinder zu übernehmen, kurz: erwachsen zu werden.

Logisch, oder?

Nur, um einem Einwand Vorschub zu leisten: Natürlich gibt es auch Frauen, die schweigen. Der Grund dafür ist allerdings häufig ein anderer. Frauen sind es nicht gewohnt, dass Männer Interesse an ihnen zeigen, geschweige denn Verantwortung dafür übernehmen, dass es ihnen gut geht in der Beziehung oder dass sie auch mal etwas dafür tun, dass diese weiter besteht.

Denn sie haben gelernt, dass Beziehungspflege ihre Aufgabe ist: " Es ist bemerkenswert, dass fast alle Frauen in Therapiegesprächen die Sorge ausdrücken, ihren Partner, Freund, Ehemann zu überfordern, wenn sie ihn mit ihren wirklichen Wünschen und Bedürfnissen konfrontieren oder ihn darüber in Kenntnis setzen sollen, wie es ihnen wirklich geht" (Hülsemann 1991, S. 153).

Sie tendieren in diesem Fall eher mal dazu, sich zurückzunehmen, schweigend zu leiden, mit ihren Freundinnen darüber zu sprechen oder ihre Gedanken einem Tagebuch anzuvertrauen.

Sie haben gelernt, dass man den Mann schonen muss: "Was sie ganz selbstverständlich auf sich nehmen, um die "Ehe und Partnerschaft zu retten", darf ihm auf keinen Fall zugemutet werden. Am besten ist es, dass er nicht einmal erfährt, dass sie sich Unterstützung und Hilfe gesucht hat, "um ihn besser zu verstehen und lieben zu können" (Hülsemann 1991, S. 153).

In anderen Worten: Männer zeigen es offen und schonungslos, wenn sie muffelig oder schlechtgelaunt sind und scheinen nicht zu bemerken, dass ihnen ihre Gefährtin ein aufmunterndes Lächeln zuwirft, obwohl sie sich selbst vielleicht gar nicht wohl fühlt.

Sie hingegen "hat sich daran gewöhnt, mit ihm ängstlich und äußerst vorsichtig umzugehen und hat ihn so zu einer machtvollen Instanz oder einem kleinen, inkompetenten Jungen gemacht, dass sie ganz verlernt hat, ihn wie einen erwachsenen, verantwortungsvollen Menschen zu behandeln" (Hülsemann 1991, S. 153) - allerdings hat sie auch vergessen, dass sie selbst inzwischen erwachsen ist und ihren Papa nicht mehr zu hofieren oder Angst zu haben braucht, dass er sie verlässt.

Denn sie ist inzwischen auch alleine in der Lage, sich zu ernähren, zu kuscheln und zu beschützen respektive kann sich bei all dem Hilfe holen - kurz: gut für sich zu sorgen und glücklich zu sein oder/und ihm auf Augenhöhe als echte Partnerin mit eigenen Bedürfnissen, Wünschen und einer eigenen Geschichte zu begegnen - so wie Wilfried Wiek und seine geliebte Frau Ingeborg Hülsemann, die ich in diesem Text hin und wieder für die Frauen sprechen ließ.

Vielen Dank an Euch beide und Euer Vorbild!

Und, last but not least, ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir alle nicht zuallererst Mann, Frau oder anderen Geschlechts sind, sondern bedingungslose Liebe in unterschiedlicher Gestalt - und damit absolut vollkommen, genau so wie wir sind – was allerdings nicht heißt, dass wir weg- statt hinsehen dürfen!

Im Gegenteil!

Das Wohlbefinden unserer Kinder und aller Generationen nach uns hängt davon ab, dass wir hinsehen, jahrtausendealtes Leid durchschauen und beenden oder zumindestens nicht zu MittäterInnen werden.

 

(Quelle: Gabriele Rudolph, Traum(a) und Wirklichkeit, oder: Wie geht (Selbst)Liebe wirklich? Ottersberg 2022)

(aus: "Traum(a) und Wirklichkeit, oder: Wie geht (Selbst)Liebe" von Gabriele Rudolph, Foto von Ernst Held)

@ڿڰۣ—ڿڰۣ ڿڰۣ——ڿڰۣ ڿڰۣ—ڿ ڿڰۣ—@

Einzel-/Paarsitzung  Sattsang  Workshops   E-Books  Ausbildung

@ڿڰۣ—ڿڰۣ ڿڰۣ——ڿڰۣ ڿڰۣ—ڿ ڿڰۣ—@


Das innere Kind und die Stille | Traumata als Tor zur Freiheit | Beziehung - Wie geht (Selbst)Liebe wirklich?
Ausbildung - Werde selbst Wegbegleiter | Sei still und lass dich vom Leben beschenken!
Den Körper durch Bewusstheit heilen | Bist du es dir wert, glücklich zu sein?
Home | Über Mich | Aktuelles | Kontakt | Lexikon | Impressum/Datenschutz