I put a spell on you:

Das Tätertrauma und die narzisstische Trance

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Erst einmal: Was ist ein Täter?

Ein Täter ist ein ehemaliges Opfer, der sich nie wieder so ausgeliefert, hilf- und wertlos fühlen möchte wie damals. Um also nie wieder Opfer zu sein, wird er vorsorglich zum Täter und macht andere zu Abhängigen, Opfern und Helfershelfern. Er prahlt, bläst sich auf, schüchtert ein, spielt den Überlegenen, Allwissenden oder Mächtigen, überschreitet Grenzen, wütet, lügt, betrügt, demütigt, entwürdigt, beraubt, verfolgt, verletzt, bedroht, mobbt, vergewaltigt, missbraucht, tötet, terrorisiert, erpresst, führt Krieg(e). Dabei (re-)traumatisiert er kontinuierlich sich selbst (Tätertrauma) wie andere.

Ein Mann, der seine Partnerin zu etwas zu nötigen versucht (der Versuch reicht!), was sie nicht möchte, der sie sexuell missbraucht, sie unter Druck setzt oder verfolgt, ist ein Täter. Eine Frau, die ein Kind bekommt, um nicht alleine zu sein, die Zuwendung ihrer Familie nicht zu verlieren oder einen Mann an sich zu binden, missbraucht es und wird dadurch zur Täterin an ihrem Kind ebenso wie an ihrem Partner. Ebenso ein/e TherapeutIn, die einen Klienten, der Hilfe sucht, unnötig an sich bindet oder ein/e KlientIn, der/die versucht, eine/n TherapeutIn für seine narzisstischen Bedürfnisse zu missbrauchen. Ein Kind, das ein Tier oder seine kleineren Geschwister quält, ist ein Täter, ebenso wie der Jugendliche, der ein entblößendes Video ins Internet setzt oder Computerviren verbreitet. Ein Arbeitgeber, der seine Mitarbeiter nötigt oder verheizt, ist ein Täter. Und auch wenn du einem Menschen die Unwahrheit sagst, ihn unter Druck setzt oder erpresst, um etwas von ihm zu bekommen, was er dir nicht aus freien Stücken geben möchte, bist du ein Täter.

Manche Menschen werden auch zu Tätern, indem sie Dinge unterlassen, Hilfe, Nahrung, Zuwendung, Kontakt, Fürsorge, Schutz, Halt etc. verweigern. So sind Eltern, die ihren Kindern die Zuwendung, Liebe und Schutz verweigern, die sie existentiell für ihr Wohlergehen brauchen, Täter. Sie traumatisieren sie dadurch, machen sie zu ihren Opfern und halten damit die Opfer-Täter-Dynamik über Generationen am Laufen. Eine Justiz, die ihre Bürger nicht vor Tätern schützt, sondern sogar belügt, unberechtigt verfolgt oder unter Druck setzt, wird zum Täter und kreiert unzählige Opfer, die häufig ebenfalls zu Tätern werden. Ebenso Politiker, die mit ihren Entscheidungen dafür verantwortlich sind, dass die Erde, Meere oder die Luft verunreinigt oder verstrahlt werden, oder Ärzte, die, um ihren Verdienst zu mehren, schädliche, unnötige Medikamente oder Operationen verschreiben, sind Täter und traumatisieren damit die Menschen, für die sie verantwortlich sind und in deren Auftrag sie handeln.

Man kann auch indirekt zum Täter werden, weil man traumatisiert ist und sein Trauma unbewusst weitergibt. So werden Menschen, die Artikel wie „Afrikaner vergewaltigt Deutsche“ in facebook oder anderen Medien veröffentlichen, zu indirekten Tätern, indem sie Rassismus und Gewalt gegen Menschen anderer Nationalitäten oder Hautfarben anfeuern. Auch ErzieherInnen, die es zulassen, dass Eltern ihnen Säuglinge überlassen, die durch ihre Schreie klar und eindeutig zeigen, dass sie noch nicht reif sind für die Krippe oder den Kindergarten, werden indirekt zu Tätern oder Helfershelfern, ebenso wie Unternehmen, die Waffen herstellen oder Banken, die mithilfe einer unsozialen Zins- wie Kreditpolitik Menschen in die Armut treiben.

Man kann natürlich auch zum Täter an sich selbst werden, indem man sich zwingt, Dinge zu tun, die man nicht tun möchte („Stell dich nicht so an!“, „Das kannst du doch nicht bringen, hier „nein“ zu sagen!“, Nahrung oder andere Dinge (Alkohol, Nikotin, Drogen, Lärm etc.) zu sich nimmt, die dem Körper nicht gut tun, Operationen an sich vornehmen lässt, ohne gründlich hinzusehen, was hinter den körperlichen Schmerzen und Beschwerden noch stehen könnte und welche freundlichen Möglichkeiten es gibt, damit umzugehen, indem man sich überfordert, unter Druck setzt ( siehe die “Ich-muss-Trance” in meinen E-Book “Das innere Kind und die Stille”), oder – indirekt – indem man zulässt, dass ein anderer einen missbraucht, nötigt, unter Druck setzt, ausbeutet oder auf andere Art lieb-, respekt- und würdelos mit einem umgeht. In letzterem Fall ist man gewissermaßen Täter und Opfer in einem.

Da ein Täter die Verantwortung und damit die Folgen für seine Taten auf keinen Fall tragen und unbedingt eine reine Weste haben möchte, tut er alles in seiner Macht stehende, damit keiner – vor allem er selbst nicht - mitkriegt, was er tut. So gibt er vor, „besonders gut“, wohlwollend und freundlich zu sein, stiftet große Summen an wohltätige Organisationen und beseitigt alles, was seine Taten und das, was dahinter liegt, an die Oberfläche bringen könnte. Denn er fürchtet nichts mehr als entdeckt, durchschaut, sozial geächtet, verlassen, bestraft oder ignoriert zu werden. Wenn eines oder mehrere seiner Opfer sich be- oder ihn anklagen, leugnet er alles, verharmlost seine Taten, lenkt von ihnen ab, macht seine Opfer lächerlich, verunglimpft und beschimpft sie oder verdreht die Tatsachen, indem er sie als die Täter hinstellt und sich als das Opfer. Denn er will alle Zuwendung, Aufmerksamkeit und Anerkennung für sich alleine.

Er präsentiert deshalb sich und seine Taten als großzügig, nutzbringend oder unbedingt notwendig und behauptet zum Beispiel, er habe all das getan, um sich oder andere zu schützen, die Partner- oder Freundschaft zu retten, Arbeitslosigkeit zu verhindern, das Wirtschaftswachstum voranzutreiben, den Frieden zu sichern, die Umwelt zu retten etc. Kurz: Er musste so handeln, denn er dient dem Gemeinwohl und ist ein guter Mensch. Überhaupt versteckt er sich gerne hinter einem größeren Ganzen, zum Beispiel Gott, dem Vaterland, einer Religion, einem Führer oder einer Vision, die ihn erhöht und seine Taten rechtfertigt. Er nutzt auch gerne das Wort „wir“ im Sinne von wir = ich.

Da er als Kind erfahren hat, dass er weder gewollt, geliebt noch geschützt wurde, fühlt er sich ständig bedroht, ist zutiefst misstrauisch und tendenziell aggressiv. Und so ist all seine Aufmerksamkeit darauf ausgerichtet, endlich zu bekommen, was ihm bisher verwehrt war – freiwillig, manipulativ oder mit Gewalt.

Seine Botschaft ist: Du gehörst mir und wirst alles tun, was ich will, sonst werde ich dich angreifen, bestrafen, verfolgen, verletzen, beschuldigen, lächerlich machen und/oder mobben. Du darfst mich nicht verlassen oder dich von mir entfernen, außer ich gestatte es dir. Du bist verantwortlich dafür, wenn es mir schlecht geht. Ich werde dir alles antun, was nötig ist, damit ich mich nicht wieder klein, hilflos, bedürftig, voller Schmerz oder ausgeliefert fühle, ohne Rücksicht darauf wie es dir damit geht bzw. was ich dir, deiner Familie und deinen Kindern damit antue. Ich bin mächtiger als du. Es ist also besser, du unterwirfst dich. Er hat nur Achtung vor Menschen, die mächtiger sind wie er, denen er nicht gewachsen ist bzw. von denen er profitiert. Mit ihnen geht er solange ein Bündnis ein, wie er sie nicht zu seinen Opfern machen kann. Er tut also harmlos, solange sie ihm nützlich sind, und wartet bis er zuschlagen kann.

Die Tätertrance ist eine Überlebensstrategie. Das bedeutet, ein Täter zieht seine Existenzberechtigung aus seinem Tätersein. Er hat große Angst davor, wie als Kind, nichts und niemand, verlassen, nicht anerkannt zu sein und benutzt seine Opfer ebenso wie seine Visionen, um endlich jemand besonderes, mächtiges, besseres etc. zu sein. Das bedeutet, ohne seine Opfer und seine Visionen ist er nichts. Sie sind hingegen alles für ihn, da er sich sonst als nichtexistent wahrnehmen würde. Und deshalb sucht und verfolgt er sie, versucht sie zu kontrollieren, einzuverleiben und, in gewisser Weise, zu hypnotisieren – wie eine Schlange ihre Beute.

Er liebt es, wenn man sich ihm unterwirft, ihn bewundert und möchte als jemand Besonderes behandelt werden und versucht, die Liebe und Anerkennung anderer zu erzwingen. Deshalb präsentiert er sich gerne in auffälliger Montur und nimmt Sonderrechte für sich in Anspruch. Er erträgt zudem keinerlei Kritik an seiner Person, für die er sich schnellstmöglich rächt, verfügt über wenig bis gar keine Frustrationstoleranz und neigt zu Selbstmitleid und Weinerlichkeit. Im ICD-10 werden viele dieser Symptome unter dem Begriff der “narzisstischen Persönlichkeitsstörung” zusammengefasst (ICD-10, F 60.8, DSM-IV 301.81).

Es gibt auch einen Song mit dem Titel „I put a spell on you“ von Screaming` Jay Hawkins, der diese Trance, die besitzergreifende Raubtierenergie ebenso wie die tiefe, unerfüllte Sehnsucht und die Angst dahinter energetisch sehr gut spiegelt. Jede/r kennt den Wunsch, dass der/die Geliebte nur für ihn da sein möge, dass er/sie nur ihn sieht, und tut, was er möchte, richtig? Und jede/r hat schon Täterenergien als Opfer erfahren und in sich gespeichert, die jederzeit getriggert und damit aktiv werden können. Kurz: In jedem von uns steckt ein hungriges, forderndes Kind, das sich nach der bedingungslosen Liebe der Mutter sehnt, und um geliebt zu werden, scheinbar erwachsen, überlegen und mächtig oder ganz arm und klein (Opfer) oder wahnsinnig hilfreich und lieb (Helfer) spielt. So erhofft er, seinen grenzenlosen Hunger nach Liebe, Zuwendung und Anerkennung endlich vom anderen befriedigt zu bekommen.

Denn hinter jeder Überlebensstrategie steckt eine verzweifelte Suche nach der Liebe, dem Frieden und der Freiheit, die man in der Kindheit vermisst hat. Allerdings wird sich diese Suche nicht auf diese Weise befriedigen. Denn man befriedigt ein „falsches Ich“, bleibt gewissermaßen in der Kompensation hängen und damit weiterhin hungrig, zutiefst unsicher, haltlos, verzweifelt, voller Scham und unterdrückter Angst. Kein anderer Mensch kann ihm das nehmen, gleichgültig, was er oder sie tut oder nicht tut. Ein Ausstieg aus diesem Teufelskreis ist erst möglich, wenn er sich seinem Tun ehrlich stellt, erkennt und dazu steht, was er wie und warum tut, sich mit dem verletzten, verlassenen, bedürftigen inneren Kind sowie seinem Opfersein zärtlich und mitfühlend anfreundet, sein Tätersein gänzlich als das durchschaut, was es ist – eine Überlebensstrategie, die nicht nur überholt, vielmehr auch zutiefst destruktiv und unbefriedigend ist. Und wenn er bereit ist, die Gefühle zu fühlen, die er mit ihr vermeidet, sowie den Schaden, den er damit angerichtet hat, soweit irgend möglich, wieder gut macht. Kurz: Wenn er mit seiner Aufmerksamkeit wieder bei sich landet, Dem, was er wirklich ist. Dann ist es still. Die Luft ist raus. Bis zum nächsten Mal.

Und jedes Mal, wenn die Überlebensstrategie durchschaut wird, verliert sie an Kraft und es wird sichtbar, wie entspannend, einfach und nährend es ist, niemand und alles zugleich zu sein bzw. eine Rolle bewusst zu spielen anstatt sie für real und überlebenswichtig zu halten und sie zu benützen, um etwas zu bekommen, was im Außen nicht mehr zu bekommen ist bzw. etwas zu werden, was du bereits bist, ja, immer schon warst: bedingungslose Liebe, unendlich weiter Raum, frei.

(aus: "(Un)Endlich frei! - Traumata als Tor zur Freiheit" von Gabriele Rudolph, mehr dazu hier)

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